Leiter der tschechischen Logistikvereinigung: Abhängigkeit von China kann nicht auf die Schnelle gelöst werden

Leiter der tschechischen Logistikvereinigung: Abhängigkeit von China kann nicht auf die Schnelle gelöst werden
© Lenka Pribanova Photography

Im Zusammenhang mit der neuen Investition des chinesischen Unternehmens COSCO im Hamburger Hafen führte RAILMARKET.com NEWS ein Interview mit Petr Rožek, Geschäftsführer der Association of Forwarding & Logistics of the Czech Republic. Auf der kürzlich zu Ende gegangenen Messe Transport & Logistic in München interessierten wir uns für seine Ansichten zu den zukünftigen Logistikbeziehungen zwischen Europa und China.


RM: Welche Position nimmt China derzeit im globalen Handel und in der Logistik ein?

Nach der jüngsten UNCTAD-Rangliste der Logistikkapazitäten nimmt China zwar keinen der vorderen Plätze ein (Singapur, Finnland und Deutschland liegen dort), aber Chinas Rolle als Handelsmacht spiegelt sich natürlich im Umfang und in der Struktur der Logistikdienstleistungen des Landes wider. Die derzeitige Regierung investiert massiv in die Entwicklung der Infrastruktur. Mehr als fünf der zehn größten Häfen der Welt liegen in China; die längste Güterzugverbindung der Welt beginnt (und endet) in China; nur im Luft(fracht)verkehr ist China nach dem Abflauen des Covidi-Booms wieder zur Norm zurückgekehrt. Andererseits profitiert China von der Präsenz von Tochtergesellschaften der größten Logistikunternehmen der Welt im Land und von deren Know-how.

RM: Es wird derzeit viel über die Abhängigkeit des Westens (einschließlich der USA) von China bei so grundlegenden Dingen wie den für die Herstellung von Arzneimitteln benötigten Substanzen diskutiert. Aber das sind nicht die einzigen Güter, bei denen wir von China abhängig sind. Können wir diese Abhängigkeit jemals durchbrechen?

Eine übermäßige Abhängigkeit von irgendetwas ist natürlich unangenehm, und als solche muss sie behandelt und durchbrochen werden. Aber das darf nicht zu schnell und zu abenteuerlich geschehen, wie es derzeit in Europa der Fall zu sein scheint; nach einer solchen überstürzten Aktion werden Entzugserscheinungen auftreten, und der Patient könnte an dieser schnell erlangten Unabhängigkeit zugrunde gehen. Die politischen Äußerungen hochrangiger EU-Beamter halte ich jedoch für etwas "maßgeschneidert" und "modisch", die aus dem Bedürfnis heraus entstanden sind, einen äußeren Feind zu finden, dem man die Schuld für internes Fehlverhalten geben kann. Seit mehr als 40 Jahren lebt Europa von der billigen Produktion in China, und das Ausmaß der Investitionen europäischer Unternehmen in China ist inzwischen so groß, dass es unmöglich ist, sich darauf zu verlassen, dass europäische Unternehmen in naher Zukunft "anderswohin" abwandern werden. Und dann ist da noch die "Neruda"-Frage(Anm. d. Red.: Jan Neruda war ein berühmter tschechischer Schriftsteller): Wohin soll man sich bewegen, wenn die Chinesen nicht schon auf Umwegen in der Falle sitzen?

RM: Wie ist die derzeitige Position der Tschechischen Republik in Bezug auf China? Vor ein paar Jahren war von Investitionen die Rede, die nicht zustande kamen. Wo steht die Tschechische Republik heute und wie wichtig ist China für die Tschechische Republik?

Wie viele Beispiele aus jüngster Zeit rund um die so genannte Seidenstraße in der Dritten Welt zeigen, konzentriert China seine Investitionen verstärkt auf Schwellenländer, sei es in Südostasien oder in Afrika. Deshalb war schon zum Zeitpunkt des Werbens unseres ehemaligen Präsidenten um die chinesische Führung klar, dass keine Milliardeninvestitionen in das tschechische Umfeld fließen würden. Das bedeutet, dass die Tschechische Republik China im Gegenzug für die Rückzahlung etwaiger Kredite nichts zu bieten hat, was bei solchen "Investitionen" normalerweise der Fall ist. Auch geopolitisch gesehen ist die Tschechische Republik kein strategischer Partner für China; Deutschland (ein großer Investor in China) und andere große EU-Länder sind es logischerweise. Aber China ist für uns ein wichtiger Partner als Lieferant vieler Fertigprodukte und Teile, ohne die unsere verarbeitende Wirtschaft nicht existieren könnte. Wenn sich in Zukunft alternative Bezugsquellen für diese Produkte finden lassen, können wir uns sicherlich von chinesischen Importen abkoppeln, aber es ist sicher, dass die Doktrin der Regierung, Kontakte mit China zu unterdrücken, nur alternative Händler ermutigen wird, die den tschechischen Markt gerne auf Umwegen und mit einer attraktiven Marge mit chinesischer Produktion versorgen werden. Wie seit langem bekannt ist, werden Waren immer ihren Weg finden; künstliche Barrieren werden sie nicht aufhalten, sondern nur verteuern.

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